Geschichtswerkstatt Hasloh e.V.

Gestern und Heute: Geschichte des Ortes und der Hasloher BürgerInnen

Große Reformentwicklungen in Hasloh im 18. - 19. Jahrhundert

Der auf Hasloh ausstrahlende Reformgeist soll nachfolgend anhand der Beispiele von drei historischen Entwicklungssprüngen im 18./19. Jahrhundert dargestellt werden. Sie haben dazu beigetragen, die Gestaltung der Lebenswelten Haslohs in hervorstechender Weise zu modernisieren, was bis in die Gegenwart hinein ihre Strahlkraft nicht verloren hat. Dadurch erlangten die Bewohner unseres Dorfes vielfältige neuartige Chancen zur individuellen Selbstverwirklichung wie auch zur gemeinschaftlichen politischen und sozialen Entfaltung von Veränderungsprozessen. Die umwälzenden historischen Etappenbeispiele waren:  - Erstens die Agrarreform ab 1797. Diese umfasste, neben der Eintragung von privaten Hasloher Gehöften (Hufner) ins Erdbuch von 1790, zudem die im Zuge der Grundprivatisierungen durchgeführte sogenannte „Entkoppelung“ (Flurbereinigung) sowie die damalige strikte Anordnung, überörtlich genutzte Fernrouten gemeinsam zu finanzieren und zu warten.  - Zweitens kam es zur Planung und Durchführung fortschrittlicher Großprojekte im Verkehrswesen (Straßenbau / Eisenbahn). Und drittens leiteten die dänischen, dann preußischen Reformer im Zuge erweiterter kommunaler Selbstverwaltungsrechte auch veränderte politische Mitbestimmungsrechte bis hin zum bis 1918 geltenden Dreiklassenwahlrecht ein. Hinzu kamen innovative Ansätze zum Aufbau leistungsfähiger, auf Effizienzmessgrößen verpflichtete Verwaltungen.

Ein deutlicher „Meilenstein“ des aufflammenden großen Reformeifers war die Agrarreform ab 1787 mit der mit ihr einher gehenden Bodenreform in Form von Flurbereinigungen. Im Zuge der Reform erfolgte die amtliche Eintragung von Gehöften als Privateigentum sowie die Ablösung gemeinschaftlichen Grundbesitzes mittels Zuteilung zum privaten Besitz (schließlich beurkundet im „Hasloher Erdbuch von 1790“). Im Erdbuch wurden seinerzeit 38 Namen verzeichnet. Hinzu kamen gebundene Zuweisungen für das Schulland, die öffentlichen Wege, königliche Waldungen, reservierte Gemeineinheiten und Moore. Die Eintragungen im Erdbuch umfassten große Hufen (d.h. Voll- und Halbhufen) und kleine Hufen (d.h. 1/3 - 1/24 Hufen). Im Einzelnen waren dies:  4 Vollhufner, 3 Halbhufner, 5  1/3,  3  ¼,  2  1/6,  3 / 1/12, 17  1/16 Hufner, 1 Anbauer und eine Witwe (privat). Als Hufner bezeichnete man Bauern, die Eigentümer eines Hofes mit eigenbewirtschafteten Landteilen waren und dieses Land an Erben weitergeben durften. Sie konnten zudem „Gemeinland“ (Allmende) mitbenutzen und standen an der Spitze der Sozialhierarchie ihres Dorfes. In der Gemeinde besaßen sie hervorgehobene Mitspracherechte bei der Ortsgestaltung und konnten die Kommune nach außen hin als Vögte bzw. als Schöffen vertreten. Der Grundbesitz privilegierte die Hufner bezüglich ihrer örtlichen Vertretungs- und Gestaltungsmacht gegenüber anderen nicht Eigengrund besitzenden sozialen Gruppen. Jenes waren in erster Linie die halbselbständigen Landmänner, die auf dem Grundbesitz von Hufnern lebten und als Gegenleistung dafür diesen zugleich tageweise zu nicht bezahlten Dienstleistungen abhängig verdingt waren. Hierzu gehörten Gärtner (unselbständige Landarbeiter / Tagelöhner) und andere Hilfstätige (Knechte, Mägde, Haushalthilfen in Stellung) sowie gewerblich Tätige, die ihre Arbeit seinerzeit zumeist als Nebentätigkeit parallel zu ihrer individuellen familiären Versorgungswirtschaft als Landpächter betrieben (Schmiede, Schuster, Fuhrleute).

Mit der Bodenreform als Element der Agrarreform verfolgten dänische Reformer und ihre beauftragten Drosten (Verwalter/Administratoren) im Pinneberger Raum das Ziel, insbesondere die oft heruntergekommenen, weil nur wenig effizient in „Feldgemeinschaften“ beackerten und beweideten Landflächen, ertragreicher zu bewirtschaften. Feldgemeinschaften durch Zusammenfassung kleiner Landparzellen waren entstanden, weil seinerzeit wegen der tradierten Erbgewohnheiten in den Familien deren Grundbesitz immer mehr zerstückelt wurde.  Letztlich waren nur schmale Besitzstücke verblieben, die zudem weit in der Gegend verstreut lagen und mit den seinerzeit noch langsamen Fuhrgefährten nur aufwändig erreicht und außerdem nur umständlich abgeerntet werden konnten. Die kollektiv zwar großflächig, und somit effizienter als in Form von Kleinflächen, jedoch genossenschaftlich betriebene Feldwirtschaft, führte oft zu streitend untereinander ausgetragenen Konflikten zwischen den (wegen der Erbteilung weitgehend nur zwangsläufig) arbeitsteilig miteinander verbundenen Angehörigen der Gemeinschaft. Dies untergrub in den Augen der systematisch analysierenden Landreformer Holsteins in oft extremer Weise die denkbar wünschenswerten, weil höheren Ernteerträge. Um diesen defizitären ökonomischen Zustand zu bereinigen, vollzog sich die Bodenreform, außer mittels der vorstehend genannten Privatisierungen, in Gestalt eines obrigkeitlich verordneten „Flurzwangs“. Weiter umfasste die Flurbereinigung nicht nur die urbanen Ländereien. Auch wurden unter den Bauern ebenfalls Teile der örtlichen „Gemeinheiten“ (Allmende), wie Wald, Moor und Heide verteilt. Dieser für den Zusammenhang einer integrierten Dorfgemeinschaft stark umstrittene Reformprozess   - auch „Verkoppelung“ -    genannt, wurde von administrativen Kommissionen begleitet. Denn es sollte sichergestellt werden, alle Betroffenen hinsichtlich der Bodengröße und -güte (möglichst) gerecht zu behandeln. In Hasloh wurde die Landreform zügig vollzogen. Hier hatte man insofern bereits einen Zeitvorsprung, weil schon im Jahr 1770 auf freiwilliger Basis und mit Pinneberger Billigung erste Flurzusammenlegungen zwischen einzelnen Hufnern erfolgt waren. Am 14. Juni 1790 unter-schrieben vier Hufner, darunter einer als Vogt, in Vollmacht für die übrigen Eingesessenen der Dorfschaft „Hasloe“ das amtlich besiegelte Erdbuch.

Bild: Liste der Flurstücke von "Hasloe" des Jahres 1790



Die Ideen, die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität durch eigenverantwortlich („unternehmerisch“) tätige Bauern und durch Flurzwang zu beflügeln, korrespondierte zugleich mit dem anwachsenden Versorgungbedarf von größer werdenden Orten als Folge des fortschreitenden frühindustriell ausgelösten ökonomischen Strukturwandels in immer mehr Gegenden Holsteins. Die Reformer hatten dabei also nicht nur örtliche Wohlfahrtszuwächse durch die Steigerung der Anstrengungsbereitschaft einzelner Landwirte im Blick. Mit volkswirtschaftlicher Gesamtschau ging es ihnen gleichfalls darum, die auf externe Agrarzulieferungen angewiesenen städtischen Industrieorte auf Dauer sicher versorgen zu können.

Mit dem Übergang zur „individuellen Landwirtschaft“ veränderte sich das Dorfleben nachhaltig. Denn es entstanden Konkurrenz und Gefälle zwischen den besser und schlechter wirtschaftenden Landfamilien. Und die privaten Bauern sahen sich nicht mehr nur als solche den gleichen Lebensbedingungen ausgesetzte Personen, sondern vielfach nunmehr um die besten Böden und höchsten Erträge streitenden Rivalen.

Mit der Landreform verbanden die Reformer zudem eine weitere große Herausforderung. Denn die Pinneberger Drosten verlangten in dem Zuge zugleich die Finanzierung sowie praktische Unterhaltung von Fernrouten, die allen Orten im Pinneberger Verwaltungsgebiet überregional von gemeinsamem Nutzen waren. Über die Maßstäbe und Höhe der Finanzierung sowie die für praktische Arbeiten zur Verfügung zu stellenden Hand- und Spanndienste stritten sich seinerzeit dann alsbald die in diesen Fragen oft hart miteinander konkurrierenden einzelnen Dörfer als Rivalen. Große Aufmerksamkeit fand in dem Zusammenhang in der Herrschaft Pinneberg ein im Jahr 1800 von Hasloh gegen die Drostei rechtlich ausgetragener Protest um die jährlich zu leistenden Dienste zur Erhaltung der Fernroute durch die Feldmark des seinerzeit als fern empfundenen Tangstedt nach Pinneberg. Das Verfahren zog sich über 17 Jahre hin und wurde abschlägig entschieden. Hasloh wurde gemaßregelt und unabweisbar auf Dauer zu Hand- und Spanndiensten verpflichtet. Zusammenfassend lässt sich festhalten: Die Privatisierungen und die Entkoppelung wirkten tief in das Dorfgefüge ein. So mussten insbesondere die Angelegenheiten des privaten Grundeigentums politisch, rechtlich und sozial-integrativ in der Dorfgemeinschaft verankert werden. Und dies nunmehr mit erkennbarer Neigung privater Grundbesitzer zu am individuellen wirtschaftlichen Erfolg zu messenden sozialen Aufstiegsorientierungen. Weiter wurde erforderlich, Hasloh stärker als bis dahin üblich als selbstbewusstes und verhandlungsstarkes politisches Rechtssubjekt nach außen hin zu formieren. Denn es galt, angesichts der reformgestärkten Verwaltungseffizienz der Pinneberger Drosten sowie der deutlich vorgetragenen konkurrierenden Ansinnen aus anderen Dörfern in der Pinneberger Herrschaft, von Hasloh als ungerechtfertigt angesehene Forderungen nach finanziellen Leistungen bzw. Dienstbarkeiten einerseits wirksam abzuwehren und andererseits eigene Gegenforderungen mit Erfolg zur Wirkung zu bringen.

Die Landreform führte auch zu deutlichen Veränderungen im Landschaftsbild. Denn die Aufteilung gemeinschaftlich beackerter bzw. beweideter Feldfluren in bauerneigene Flurstücke unterlag neuen gesetzlichen Verpflichtungen. Dadurch wurden die Bauern verpflichtet, die ihnen privat zugeteilten Parzellen mit Wallhecken, sogenannten „Knicks“, von Nachbarparzellen abzugrenzen. Mit Hilfe der Knicks sollten die landwirtschaftlichen Flächen in erster Linie vor Winderosion, außerdem vor Großwild und benachbarten Weidetieren geschützt werden.

Winderosion stellte für Schleswig und Holstein, im schmalen norddeutschen Landfortsatz gen Dänemark zwischen Nord- und Ostsee gelegen, bereits seit Jahrhunderten eine Belastung für die landwirtschaftliche Produktion dar. Überdies sollten die Knicks kurzfristig Brennmaterial liefern. Denn Holz aus Waldstücken fehlte weithin. Von einer geregelten Forstwirtschaft konnte man für holsteinische Gebiete am Ende des 18. Jahrhunderts kaum sprechen. Bis dahin war es weithin üblich, das benötigte Nutzholz für u. a. Bauten, Schiffe und Befeuerungen nach Bedarf zu schlagen.  Nachfolgende systematische Aufforstungen waren mangels forstwirtschaftlicher Kenntnisse die Ausnahme. Das Land wurde im Laufe der Jahrhunderte immer mehr entwaldet. Die Transportstrecken zur Bedarfsdeckung mit Holz aus nur noch wenig bewaldeten Gegenden wurden länger und somit belastender. Der Bedarf an gutem Holz wurde ersatzweise schließlich mit deutlich wachsenden Importen aus Norwegen und Schweden gedeckt. Dies führte im Herzogtum Holstein zu einem immer größeren Abfluss von Geldmitteln, was sich für die Bewohner des Raumes finanziell immer spürbarer auswirkte.

Reformansätze, vor allem aus den Foren aufgeklärter Bürger vorgetragen, hatten bereits vor der amtlichen Agrarreform 1787 im Jahr 1784 zum Gesetz einer Wald- und Jagdordnung geführt. Die bewaldungsfähigen Flächen des Landes sollten, durch systematische Methoden angeleitet, in Form von „Plenterwäldern“ anlegt werden, um Holstein von Importen wieder unabhängiger zu machen. Plenterwälder bestehen aus einem sich stetig verjüngenden Dauerwald, in dem Bäume aller verschiedenen Dimensionen einzelstammweise sinnvoll vermischt sind. Dabei sollen schnell wachsende Bäume, beispielsweise Fichten, mit nur langfristig zu beforstenden Bäumen, beispielsweise Stieleichen und Buchen mit Mindestwuchszeiten kaum unter 200 Jahren, zu einem permanent nutzbaren Wald führen. Hierdurch werden ökonomische, ökologische und soziale Funktionen eines Waldes mit gleichzeitigem Nutzen für den Boden, das Klima und für den Wasserschutz „nachhaltig“ miteinander kombiniert. Hasloh profitiert mit seinem jährlich immer am Pfingstsonntag für Treffen der Dorfgemeinschaft intensiv genutzten sogenannten „Pfingstwald“ bis heute vorteilhaft von den nunmehr über 200 Jahre alten Forstbewirtschaftungsgesetzen.

Ein weiterer „Meilenstein“, letztendlich wiederum mit der Folge tiefgreifender örtlicher Umwälzungen, waren die großen Infrastrukturprojekte. Sie begannen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, somit noch in der dänischen Herrschaftszeit und vor der Gründung des Deutschen Nationalstaates. Ansatzpunkte der Projekte waren die Bereiche Kanal-, Straßen- und Eisenbahnbau. Die dadurch bewirkten Zugewinne an Mobilität bzw. neuen Transportmöglichkeiten katapultierten viele abgelegene ländliche Regionen der Herzogtümer Schleswigs und Holsteins aus ihrem - umgangssprachlich gesprochen - „Dornröschenschlaf“ in eine sich für die Menschen seinerzeit rasant öffnende neue Lebenswirklichkeit. Für Hasloh waren die Reformaufbrüche zunächst mit dem Bau einer sogenannten „Kunststraße“ von Altona nach Kiel verbunden, begonnen im Jahr 1830, beendet 1832. Der Verlauf der neuen Straße, „Chaussee Altona - Kiel“ genannt, führte direkt durch Hasloher Gebiet. Im Jahr 1884 kam mit der Eröffnung der Eisenbahnlinie Altona-Kiel der seinerzeit modernste landgebundene Verkehrsträger hinzu. Die Eisenbahnlinie band Hasloh über Altona an regionale wie überregionale Verkehrsnetze an.

Bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein waren die dörflichen mit Pferdefuhrwerken betriebenen Transporte weitgehend nur auf Kurzstreckentransporte ausgerichtet und in der Regel für eine Fuhrstrecke von maximal 10 - 15 Kilometer ausgelegt. Für eine 100 km lange Strecke benötigte ein 1-Tonnen-Spannwerk etwa 22 Stunden reine Fahrzeit. Denn der Ausbauzustand der Verkehrswege in Holstein war seinerzeit in einem schlechten Zustand. Die Wege bestanden vielfach aus mehr oder weniger ausgefahrenen Wagenspuren, bei außerdem vom Herbst bis in die Frühlingsmonate hinein oft morastigem Boden.  Zeitgenössische Fernreisende bezeichneten die hiesigen Straßen sogar als die unerträglichsten in Mitteleuropa. Lediglich an Poststraßen, die am stärksten Beachtung findende Straßenart, wurden einigermaßen regelmäßig Straßenschäden behoben.

Trotz der dänischen Modernität und generellen Weitsicht ihrer herrschaftlichen Planungen, hatte Dänemark lange gezögert, die Elb- und Ostseeregion mit einer künstlich anzulegenden Chaussee zu verbinden und es im Fernroutenverkehr nicht länger bei den heruntergekommenen, ökonomisch lediglich ineffizient nutzbaren Landstraßen zwischen Altona - Kiel zu belassen. Ihre Prioritäten galten vorher primär den Verkehrsverbindungen zwischen den ökonomisch interessanten Städten Hamburg und Lübeck. Zwischen beiden eigenständigen Städten bestand ein reger Handelsverkehr. Obwohl es sich dabei vielfach nur um Transitverkehre durch Holsteiner Gebiet zwischen beiden eigenständigen Hansestädten handelte, profitierte Holstein erheblich von wirtschaftlichen Ausstrahlungseffekten:  So entwickelten sich große Fuhrbetriebe, Krüge, Logierhäuser, Umspannhöfe mit angebundenen Handwerksbetrieben von Schmieden und Stellmachern sowie Handelsbetriebe zur Versorgung der vorbeiziehenden Fuhrunternehmen und für die Proviantbevorratung von Schiffen in den Seehäfen Hamburgs und Lübecks. Gut ausgebaute Chausseen wurden als Garanten dafür angesehen, dass Holstein die wirtschaftlichen Aus-strahlungseffekte langfristig würde nutzen können. Hinzu kamen die Vorteile aus Einnahmen von Wegesteuern und sonstigen Abgaben auf dem langen Fernverkehrsverlauf durch das Holsteiner Territorium.

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hatten Kiel, Altona und Neumünster beachtliche Wirtschaftserfolge zu verzeichnen. Schon 1760 hatte Neumünster sich zu einer bedeutenden Tuchmacherstadt entwickelt und sich im Zuge der Frühindustrialisierung mit neuen Technologien weiter rasant vorangebracht. Dies zog weitere Industrien nach sich. Zudem war Neumünster über ordentlich nutzbare Fernrouten mit Rendsburg und weiter in Richtung Jütland verbunden. Verkehre mit den Handelszentren und dem Hafen von Hamburg gen Kiel, Rendsburg und Jütland liefen seinerzeit umständlich über Abzweigungen der Fernrouten zwischen Lübeck und Hamburg über den Verkehrsknotenpunkt Neumünster. Auch Kiel erlebte gegen Ende des 18. Jahrhunderts eine frühindustrielle Aufbauphase, vor allem mit Metallproduktionen und Werften. Zulieferungen aus dem westlichen Holstein und aus Hamburg waren zeitaufwändig und teuer. Dies alles sprach dafür, eine  neue Straße, „künstlich“ im Gebiet Holsteins mit direktem Verlauf von Altona nach Kiel zu bauen, um die Verkehre zwischen den aufstreben Städten zu beschleunigen, deutlich besser Jütland erreichen und zugleich ökonomisch und sozial nützliche Ausstrahlungen in bis dahin wenig erschlossene ländliche holsteinische Regionen generieren zu können. Altona lag in Holstein, jedoch zugleich in direkter Nähe zum Wirtschaftsstandort der Freien und Hansestadt Hamburg, was mit sinnvollen beiderseitigen Verflechtungen, vor allem wirtschaftlichen, einherging.

Bereits ab 1820 lagen dänische Planungen für eine neue Chaussee weit westlich der Handelsrouten Hamburg - Lübeck und über den Verkehrsknotenpunkt Neumünster vor. Jedoch hatte Dänemark, das 1807 auf Seiten der Franzosen mit in die Napoleonischen Kriege eingetreten war, seinerzeit erhebliche Finanzprobleme.  Die hohen Kriegslasten im Gefolge des Niedergangs Napoleons hatten für das Land zu einer harten Konjunkturkrise geführt, 1813 einen Staatsbankrott ausgelöst und zudem zum Verlust Norwegens geführt.  Der Straßenbau begann schließlich 1830. Am 13. Dezember 1831 unterzeichnete der dänische König Fried-rich VI.: „Das Reglement für die Benutzung der neuen Wegelinie zwischen Kiel und Altona“. 1832 wurde die Chaussee fertiggestellt. Hasloh rückte damit auf 16,6 km auf der insgesamt 91,4 km langen A.-K.-Chaussee an das Zentrum der ökonomisch gewichtigen, sozial-kulturell pulsierenden und erheblich an Einwohnern wachsenden Stadt Altona heran. Hieraus sollte sich in den weiteren Jahrzehnten eine folgenreiche Verflechtung des ländlich strukturierten Gebiets von Hasloh mit der „Stadt“ Altona entwickeln. Altona, mit der modernen Verkehrsanbindung nunmehr nahe vor der Haustür Haslohs gelegen, war damit deutlich zügiger als davor sowie komfortabler, sicherer und über eine dau-erhaft gewartete zweispurige Chaussee zu erreichen.

Altona hatte bereits 1664 vom dänischen Königshaus Stadtrechte mit umfangreichen wirtschaftlichen Privilegien und eigener Gerichtsbarkeit erhalten. 1683 wurde dort die erste Lateinschule und 1738 ein Gymnasium errichtet. 1790 entwickelte sich Altona zudem zu einem wichtigen Pressestandort. Seinerzeit war Altona (24 Tsd. Einw.) nach Kopenhagen die zweitgrößte Stadt Dänemarks. Im Verlauf des Großen Nordischen Krieges (1700-1721) wurde Altona zwar 1713 zu 60 Prozent durch schwedische Brandschatzungen zerstört. Der zügige Wiederaufbau führte jedoch bis zur Kontinentalsperre 1807, mit der auf Befehl Napoleons jeglicher Wirtschaftsverkehr mit den Britischen Inseln untersagt wurde, zu einer wirtschaftlich „goldenen Epoche“. 1814 endete die französische Besatzungszeit mit katastrophalen wirtschaftlichen Folgen für die sowohl frühindustrielle wie zudem ökonomisch stark auf see-wirtschaftliche Außenwirtschaftsbeziehungen ausgerichtete Stadt. Anschließend wurde Altona abermals durch lange wirkende wirtschaftlich erfolgreiche wie auch politisch, sozial und kulturell vielfältig weitere, moderne Gestaltungsphasen geprägt. Und dabei knüpfte die Stadt an ihren insbesondere in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts freiheitlich-liberal geprägten (dänischen) Charakter abermals an. Und zudem mit zügigen Schritten in Richtung des sich rasch verstetigenden Industriezeitalters sowie sonstigen sozialen und kulturellen Modernisierungsschritten.

Im zweiten Zeitabschnitt des 18. Jahrhunderts, vor der „Franzosenzeit“ (1806-1814), hatte sich Altona bereits zum „Zentrum der Aufklärung“ in Norddeutschland entwickelt, und dies zudem mit beachtlichen Sozialreformen einhergehend. Dänische Königslinien unterstützten Altonas Gestaltungsprozesse damals bereits seit Jahrzehnten mit freiheitlichen Privilegien im Sinne aufgeklärter Fortschrittsideen. 1770 begann in Dänemark eine mit Brachialgewalt in Gang gesetzte Reformpolitik, die, wie Chronisten damals alltagssprachlich formulierten, im Königreich „keinen Stein auf dem anderen ließ“.  Diese Reformen stammten aus der Feder von J. F. Struensee (1737-1772). Dieser kam aus bürgerlichem Hause, war überzeugter und zugleich praktischer Verfechter der Aufklärungsideale und hartnäckiger Gegner des in seinen Augen politisch, ökonomisch und in humanitären Fragen abgewirtschafteten Adels. Dem ging es seiner Meinung nach nur um die Konservierung ihrer hergebrachten Besitzstände und Privilegien. Reformansichten mit Modernisierungsperspektiven, besonders der Verbesserung freiheitlicher Individualrechte und von Zielen der ökonomischen Effizienzsteigerung seien ihnen fremd. Als Leibarzt, Berater sowie dann enger Vertrauter, stieg er schließlich zum Geheimen Kabinettsminister des kaum mehr amtsfähigen, weil psychisch erkrankten dänischen Königs auf. In nur 16 Monaten erließ Struensee, wegen der seelischen Lage des Königs ab 1771 mit alleiniger staatlicher Zeichnungsvollmacht ausgestattet und demgemäß faktischer dänischer Regent, 633 Reform-Dekrete. Adelige, die im Zuge der Reformen schon bald massiv vielfältige tradierte Macht- und Grundrechte verloren, wurden Struensees erbitterte Feinde. In einer von ihnen unterstützten Hofintrige wurde er im Januar 1772 verhaftet und im April 1772 als 34-Jähriger hingerichtet. Der Reformumfang war auf nahezu alle Gestaltungsbereiche von Politik und Gesellschaft, wie beispielsweise die bereits vorangehend skizzierte Agrarreform, die Bauernbefreiung und Abschaffung der Leibeigenschaft, die großen Projekte des Kunststraßen- und Eisenbahnbaus, aber auch soziale Fragen bis hin zur Sicherstellung der Versorgung unehelich Geborener und ihrer ledigen Mütter hin ausgerichtet. Der seiner Privilegien entledigte Adel konnte die Uhr jedoch nicht wieder zu seinen Gunsten zurückdrehen. Die Reformlogik Struensees setzte vor allem die Vitalisierung möglichst vieler Kräfte voraus. Das war, neben der Effizienzsteigerung in wesentlichen Gestaltungsbereichen der Gesellschaft und des Staates, die zentrale Kernidee seines Aufklärungsideals. Mittels freiheitlicher Entwicklungsmöglichkeiten (Eigenständigkeit / unternehmerische Selbständigkeit), fernab von Untertänigkeit und staatlich absolutistischer Reglementierungsmacht, sollte der Weg in das zukunftsträchtige Land gegangen werden. Zudem kämpfte er, als ehemaliger Armenarzt in Diensten Altonas inspiriert, nachhaltig für staatliche Sozialreformen.

Altona knüpfte nach Ende der französischen Besetzungszeit, und nunmehr im 19. Jahrhundert angekommen, wieder an den Reformgeist Dänemarks aus dem späten 17. Jahrhundert an. Mit welchen Chancen und Rückschlägen, Zugewinnen und enttäuschenden Erwartungen etc. dies gelang, können interessierte Leser in Bibliotheken verfügbaren historischen Einzelstudien entnehmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Altona mit dem Herzogtum Holstein 1867 an das Staatsgebiet Preußens fiel. Preußen wiederum gehörte ab 1871 dann dem deutschen Nationalstaat an, wodurch das moderne Altona mit dem Konservatismus eines erheblich regulativen Staates konfrontiert wurde.

Für Hasloh übte die Verkehrsanbindung über die „Chaussee Altona - Kiel“ zweifelsohne eine Faszination aus, wenn auch mit aus örtlicher Sicht recht unterschiedlichen Erwartungen zwischen positiv-zustimmenden Zukunftsplänen sowie negativ-kritischen landheimatlichen Verlustängsten an sozialer Eingebundenheit. Dies ist hinsichtlich der Erfahrungswerte für die Wirkungen der Chaussee-Nutzung gleichfalls noch bezüglich der Erfahrungen mit der überregionalen Schienenanbindung Haslohs zu bewerten. Denn ab 1884 setzte, begünstigt durch den raschen technologischen Erfinder- und Fortschrittsgeist des Industriezeitalters, parallel zum Verkehr auf der Chaussee, als Konkurrenz der Personen- und Güterverkehr auf der Schiene ein. 1879 hatte ein Altonaer Unternehmen den Bau einer Eisenbahnlinie initiiert. Das Unternehmen bewirtschaftete als Pächter große Teile des bei Quickborn gelegenen Himmelmoores, wo Torf als Heizmittel abgebaut wurde. Ein erheblicher Teil der Torfmengen fand in Altona seinen Absatz. Zudem konnte Torf dort als Massengut für den Weitertransport nach Hamburg bzw. entfernt liegende andere norddeutsche Absatzmärkte weiterverladen werden.  Die Stadt Altona sowie die Gemeinden Quickborn und Kaltenkirchen unterstützten die Pläne zum Eisenbahnbau. Es kam zur Gründung einer Aktiengesellschaft, um das Risikokapital für die hohen Investitionssummen aufzubringen. Offenkundig war das öffentliche Interesse am zügigen Bahnanschluss ausdrücklich vorhanden, denn es entsprach dem Geist der Gründerzeit, auch die ländlichen Regionen nutzbringend mit den prosperierenden Städten zu verbinden. Und auch Altona als wachsende Stadt benötigte die Landgebie-te für ihre nötige Versorgung mit Agrarprodukten. Außerdem ging es Altona darum, sich langfristig das Arbeitskräftepotenzial aus den umliegenden Dorfregionen als Beschäftigungsreserven für ihre gedeihende Wirtschaft, insbesondere für die besonders stark wachsenden Industriebereiche, zu sichern. Und hierzu bedurfte es als wichtige Voraussetzung, den potenziellen Pendlern den Weg zu Arbeit zu erleichtern. Hierfür eignete sich besonders die Eisenbahn als seinerzeit schnellstes verfügbares Massentransportmittel für den Personenverkehr. Diese beidseitigen Interessen von Stadtgebieten wie auch den Landregionen spiegelte sich in der Zusammensetzung der Hauptaktionäre der AKE (Altona-Kaltenkirchener Eisenbahn) signifikant wider. Denn zu den Aktionären gehörten, neben einer privaten Baufirma, die Stadt Altona und die Gemeinden Quickborn, Ulzburg und Kaltenkirchen. 1883 stimmte das preußische Wirtschaftsministerium dem herausfordernden Verkehrsinfrastrukturprojekt zu. Noch im selben Jahr begannen die Bauarbeiten. Bereits im September 1884 wurde die Strecke von Altona nach Kaltenkirchen für den Personenverkehr freigegeben. Im November desselben Jahres kam die Freigabe für den Güterverkehr hinzu.

Mit den folgenden Skizzen werden denkbare wesentliche Sichtweisen der Wahrnehmung der im 19. Jahrhundert verwirklichten modernen überörtlichen Verkehrsanbindung Haslohs umrissen: So schuf die Bewirtschaftung und Wartung der Chaussee Arbeitsplätze.

Baulich erhaltenes Zeugnis dessen ist der in Hasloh erhalten gebliebene „Landgasthof Schadendorf“ an der Kieler Straße.  An der historischen Chaussee gelegen, wurde das Gebäude nach seiner damaligen Eröffnung „Wirtschaft Schadendorf“ genannt. Die sogenannte Wirtschaft vereinte ein Gasthaus, eine Haltestelle für Fuhrwerke / Kutschen, eine Umspannstation für Pferde und später, nachdem die zuerst noch parallel zur Chaussee verlaufende einspurige Eisenbahn ab 1884 hinzukam, auch einen Bahnhof. 

Mit den Umspanndiensten siedelten sich Handwerker (u. a. Schmiede, Stellmacher) an. Hinzu kamen sogenannte „fliegende Händler“ mit vielfältigen Angeboten von Artikeln des täglichen Bedarfs (u. a. Hygieneartikel, Reiseproviant, aber auch exotische Kolonialwaren als Besuchspräsente der in Postkutschen reisenden Privatpersonen). Der Bau der Kunststraße wurde hauptsächlich vom dänischen Staat getragen und von den Gemeinden zum Teil mitfinanziert. Später erhöhten sich die Belastungen der Kommunen entlang der Chaussee durch ihnen administrativ auferlegte Straßenunterhaltungskosten. Bei Hasloher Landwirten, die bereits früher Agrarprodukte gen Altona geliefert hatten, erhöhte sich die Nachfrage von dort spürbar. Während ehemals, vor allem in den rauhen, sumpfigen Jahreszeiten, Fuhrwerktransporte aufgrund von Regen,  Matsch, Frost und Sturm auf den alten Landstraßen oft erheblich erschwert waren, sich dadurch verteuerten oder gar ganz ausfallen mussten, half die gewartete neue Chaussee, solche Beschwerlichkeiten deutlich zu verringern.

Nach dem Beginn des Eisenbahnverkehrs wurde der Zugverkehr zu einer Konkurrenz zu Pferdefuhrwerken. Die Transportraten verfielen, ließen sich im Vergleich zum pferdebespannten Transport auf ein Zehntel der Kosten senken. Hasloher Landwirte gingen nun dazu über, noch großflächiger als vorher für die außerörtliche Nachfrage, vor allen die Einwohner Altonas, ihre landwirtschaftlichen Nutzflächen auszudehnen. Denn ihre Agrarlieferungen gen Altona, und von dort auch weiter in die daran angrenzende große Stadt Hamburg, erfolgte nun vermehrt mit Bahnwaggons, die erheblich voluminöser als Pferdeanhänger Waren aufnehmen konnten. Das Wiegehaus in der Ladestraße am Hasloher Bahnhof mit seiner für Fuhrwerke ausgelegten Großwaage, zeugte noch bis zu seinem Abriss 2020 von der Modernisierung des Verkehrswesens durch die Eisenbahn. Die Bauern wogen dort ihre auf Fuhrwagen angelieferten Waren, die am Hasloher Bahnhof nunmehr als landwirtschaftliche „Massengüter“ verladen und kostengünstig weiter verfrachtet wurden. Dabei handelte es sich überwiegend um Rhabarber, Kartoffeln, Karotten und Kohl. In den letzten Jahren vor Beginn des 20. Jahrhunderts kamen, als sich die Bahngeschwindigkeiten erhöht hatten, auch Lieferungen von tagesfrischer Milch und Käse sowie Frisch- und Rauchfleisch hinzu. Diese Waren wurden alsdann vermehrt von Hasloher Nebenerwerbsbauern in eigenen Milch- und Fleischwarengeschäften in Altona und auch Hamburg verkauft.
Bild: Bahnhof mit Wiegehaus in den 1930er Jahren

Bahnhof und Wiegehaus in den 1930er Jahren


Die kürzer werdenden Fahrtzeiten mit der Bahn machten es dann auch für eine wachsende Zahl von Hasloher Einwohnern attraktiv, als Arbeitspendler in den Elbbereichen handwerkliche, kaufmännische oder gewerblich selbständige Tätigkeiten aufzunehmen. Diese Entwicklungsperspektiven wurden, vor allem nachdem zusammen mit der neu eingerichteten beruflichen Schulausbildung „duale Lehrstellen“ angeboten wurden, für jüngere Personen aus Hasloh zur lohnenden Entfaltungschance. Denn diese versprachen sich von Tätigkeiten außerhalb der Landwirtschaft, wo sie oft nur als ungelernte Hilfskräfte bzw. Knechte Arbeit gefunden hätten, im Wirtschaftsraum an der Elbe höhere Löhne sowie damit erhoffte verbesserte Lebensbedingungen für sich bzw. ihre Familien.  Die Arbeitsplätze in Altona wuchsen in industriellen Bereichen, aber auch im Handel und bei Dienstleistungen. Die industriellen Arbeitsprozesse waren in Altona vielfach mit hochwertigen technischen Neuentwicklungen und Spezialisierungen auf innovative Endprodukte verbunden. Dies versprach zudem Aufstiegschancen, nach dem Lehrabschluss mittels gezielter Fortbildungen im schulischen Berufsaufbauwesen über den zweiten Bildungsweg bis zum Ingenieur aufzusteigen. Bezüglich der Industrialisierung war Altona mit den besonders stark aufblühenden Produktionszentren   - und damals noch eigenständigen Orten -   in seinen Randgebieten (Ottensen mit Neumühlen, Bahrenfeld) aufs Engste verbunden. Von dort erfolgten arbeitsteilig nahezu alle wichtigen Zulieferungen für die Endfertigungen in Altona. Die dominierenden Branchen waren in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor allem Glashütten sowie die Unternehmen für die Eisen- und Stahlfertigung (Gießereien, Maschinenteile, Dampfkessel, Schiffspropellerbau). Im Dienstleistungsbereich entstanden zahlreiche neue Banken, Schiffsfinanzierungsgesellschaften, Versicherungen und unzählige Handelshäuser. Darunter stark anwachsend Reedereien, Schiffsmakler und unzählige kleine und mittlere Außenhandelsfirmen.
Bis 1913 wuchs Altona zum größten Umschlagplatz für Seefische und deren Verarbeitung für die Umlandversorgung und den Fernhandel heran. Speziell in Bahrenfeld entstanden große Brauereien und eine vielseitige Nahrungs- und Genussmittelproduktion, darunter die umsatzstarke Tabakindustrie. Neue Hafenarbeitsplätze entstanden durch den wachsenden Seeschiffsverkehr für Im- und Exporte, besonders durch die Erweiterung von Hafenanlagen elbabwärts bis zum eigenständigen Ort Ovelgönne.

Bereits im beginnenden 18. Jahrhundert hatten die zunehmenden Zahlen an Auswanderern die Hafenwirtschaft beflügelt und für unzählige neue Arbeitsplätze in der Passagierabfertigung und für den sonstigen Bedarf im Zuge der Auswanderung gesorgt. Ab der Jahrhundertwende, und dann verstärkt nach dem Ersten Weltkrieg, führte die allgemein starke Belebung der Passagierschifffahrt, insbesondere in die sogenannte Neue Welt (Nordamerika) wie auch nach Südamerika, zu neuen Arbeitsplätzen und Berufschancen in einem der besonderes modernen Dienstleistungsbereiche der damaligen Zeit. Welche Bedeutung die Verkehrsanbindungen, neben den Beschäftigungsangeboten in Altona sowie seinen direkt angrenzenden Industrieorten und dem nunmehr auch näher herangerückten Hamburg, als potenzielles Absatzgebiet hiesig erzeugter Landprodukte hatten, lässt sich anhand  der Einwohnerentwicklung der genannten Gesamtregion erahnen: Nach den Eingemeindungen (1889/1890) der vorstehend genannten randständigen Orte, verzeichnete Altona einen Bevölkerungszuwachs  von 41 Tsd. (1855), auf 84 Tsd. (1875) und auf 143 Tsd. (1890).

Weitere Vorteile der modernen Verkehrsanbindungen erschlossen sich für Hasloher Besucher Altonas durch Möglichkeiten zur zügigen Weiterfahrt mit der Bahn in die Innenstadt Hamburgs (1866) und mit der Eisenbahnverbindung nach Blankenese (1884). Altona war zudem als vielfältige Erlebniswelt attraktiv. Diese hatte sich bereits seit dem Ende des 17. Jahrhunderts herausgebildet. Kleinbühnen, Theater, Tanzsalons, eine Fülle von Wirtshäusern, freizügige individuelle Etablissements (Große Freiheit auf der Reeperbahn) etc. waren Resultate der im Sinne der Aufklärung von den Dänen nur wenig staatlich regulierten Gesellschaftsbereiche. Unter dem Schirm des dänischen Königshauses war so allmählich eine weithin offene sozio-kulturelle Lebenswirklichkeit entstanden. Die Toleranz gegenüber Personen aus der Fremde, die aus politischen, wirtschaftlichen, religiösen etc. Gründen Migranten geworden waren, dann in Altona Zuflucht fanden und humanitär unterstützt wurden, vergrößerte die kulturelle Vielfalt des sozialen Zusammenlebens noch erheblich. In Anlehnung an die Französische Revolution von 1789 entstanden in Altona früh politische Salons demokratisch gesinnter Intellektueller, zudem allgemeine Debattierclubs, Lesegesellschaften und Logen. In den Logen trafen sich Einwohner, Zugewanderte, Lutheraner, Katholiken und aufgeklärte Reformer. Sie wirkten unter den Leitbildern von Humanität und Toleranz zusammen. Die Logenangehörigen sahen es als verpflichtend an, ihre Entscheidungen und ihr Vorgehen im Alltagshandeln daran auszurichten. Ihre Mitglieder stiegen teilweise in hohe öffentliche Ämter und erfolgreiche Berufe in Altona und zudem in Hamburg auf.

Vielen Einwohner Haslohs dürften die in Altona erfahrenen Freizügigkeiten, die dort vorgelebte Toleranz und die für verschiedenartige Nützlichkeiten und Initiativen außerdem sonstwie elementaren Lebensbedingungen als große Bereicherungen ihre persönliche Entfaltung gesehen haben, wie beispielsweise die wohl im Vergleich zum Dorf oft deutlich besser bezahlten Arbeitsplätze sowie die weit offenere sozio-kulturelle Lebenswelt. Diese Wahrnehmungen könnten, vor allem in Kreisen der jüngeren Dorfbewohner Haslohs, die als sogenannte Pendelschüler höhere Altonaer Schulen besuchten oder als Lehrlinge bzw. junge Beschäftigte dort arbeiteten, zu einem prägenden Bestandteil ihrer noch jungen Sozialisation geworden sein. Träfe dieses zu, wären die Erfahrungen vermutlich als erzählte oder gar zweckleitende Eindrücke über die Elternhäuser, die Verwandten und Freundeskreise in die Gedankenwelt Hasloh transformiert worden. Inwieweit solche Transfers vertiefend stattgefunden haben, und wie sie von den Adressaten kritisch verwertet wurden, kann hier noch nicht beantwortet werden. Es wird aber ein wesentlicher Schwerpunkt der Arbeit unserer Geschichtswerkstatt werden, anhand von bislang nicht ausgewerteten historischen Dokumenten zu einzelnen Personen sowie auf der Grundlage in unserem Archiv vorliegender Ta-gebücher, von Chroniken von Vereinen und sonstigen debattierenden Kreisen solchen Annahmen nachzugehen. Das Resultat wären dann erhärtete Eindrücke zu Fragen von bewusstseinsbildenden Folgen der - vorstehend skizzierten - großen Verkehrsprojekte Holsteins anlässlich der engeren Verflechtungen Haslohs mit dem Leben in Altona und auch Hamburg. Zwei dann wesentliche Kernfragen lauten: Wie ist erstens diese (moderne) wechselseitige Beziehung prägend in die Denkmuster Haslohs eingedrungen? Zweitens, und von besonderer Relevanz, ist es dann zu beantworten, ob und wie sich dies mit welchen Wirkungen auf die Gestaltung der Lebensbedingungen in Haslohs auch faktisch niedergeschlagen hat?

Dritter Meilenstein wesentlicher dänischer Reformbestrebungen und für spätere Modernisierungen von Politik und Verwaltung in Hasloh war die Umformung der Dänischen Kanzlei in Kopenhagen. Sie war vom 17. bis 19. Jahrhundert für die Verwaltung der zentralen Landesteile, einschließlich Schleswigs und Holsteins, sowie der nordatlantischen Besitzungen des Königreichs zuständig. Struensee hatte ab 1771 mit seinen Dekreten eine Effizienzsteigerung der Verwaltungen Dänemarks auf der Grundlage einer freiheitlich auszurichtenden regionalen politischen Selbstverwaltung nach neu geordnetem, einheitlichem Muster angestrebt. Alle Bestrebungen in diesem Feld seiner Reformbestrebungen wurden jedoch nach seiner Hinrichtung nicht mehr konsequent weiterverfolgt. Insbesondere bezüglich der für den Absolutismus und lange auch noch für die Gewaltenteilung im Aufgeklärten Absolutismus typische Einheit von Legislative, Exekutive und Judikative kamen keine spürbaren Änderungen zustande. Erst im Zuge der Aufhebung absolutistischer (Rest-)Bestände in Dänemark in den revolutionären Krisenentwicklungen im Jahr 1848 wurden ernsthafter gemeinte Reformansätze eingeleitet. Allerdings beschränkte sich dies vornehmlich auf neue Ausrichtungen in Zuständigkeitsbereichen der Exekutive. Weitere Reformbestrebungen mit Relevanz für Schleswig und Holstein verloren angesichts der noch anhaltenden Auseinandersetzungen in der Schleswig-Holstein-Frage an Kraft.
Mit der Eingliederung beider Herzogtümer als Provinz in Preußen 1867 fanden dann die im neuen Staat verbindlichen Rechte sukzessive Eingang in die Gemeindepolitik und -verwaltung. Die Gemeinden in Holstein hatten, und das war für Hasloh bereits schon seit der Herrschaft Pinneberg so, seit langem das Recht, mehr oder weniger selbst über ihre Belange zu entscheiden. Insgesamt war Holstein bis Ende des Deutsch-Dänischen Krieges aber ein Flickenteppich an lokal unterschiedlich wirkenden Kommunalordnungen geblieben, in die zum Teil noch alte äußere Rechte einwirkten. Denn eine besondere Stellung besaßen im Holsteinischen bestimmte Klöster und die adeligen Rittergüter, von denen vor 1867 noch 110 existierten. Gutbesitzer waren Träger der Polizei und Gerichtsgewalt, ferner standen ihnen die Kirchenaufsicht und Schulaufsicht zu. Hasloh unterlag solchen Beeinträchtigungen nicht, da in seinem Siedlungsraum keine Gutsherrschaften und somit keine abhängige Gutsuntertänigkeit bzw. gar Leibeigenschaft (rechtsgültig abgeschafft in Holstein 1805) gab.

In Preußen waren Selbstverwaltungsrechte seit 1808 zu einem Diskussions- und Verhandlungsnährboden für verschiedene liberale Foren der bürgerlichen Verfassungsbewegung geworden. Diese setzten sich für die Ausweitung von politischen Teilhaberechten des Bürgertums und der Arbeiterschaft ein. Die Forderungen nach Reformen der kommunalen Selbstverwaltung entstanden seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts und der Neuordnung des europäischen Kontinents durch Napoleon in der Folge der Koalitionskriege nach 1792. Nach schweren Niederlagen gegen die Truppen Napoleons (Insbesondere: Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806) und damit einhergehenden materiellen Zerstörungen und gesellschaftlichen Krisen, versuchte das am Boden liegende Preußen ab 1808, sich durch gesellschaftliche Reformen kurzfristig wieder handlungsfähig zu machen. Entscheidender gestalterischer Impulsgeber, bald auch als führender Reformer des Staates amtlich beordert, war der Königlich-Preußische Finanz- und Wirtschaftsminister Friedrich Karl Freiherr von und zum Stein (1757-1831). Wichtige Elemente seiner Reformansätze waren Effizienzsteigerungen der Verwaltungen bis hinunter zur unteren Ebene (Gemeinden) und Freiheitsversprechen zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung. Leitendes Reformziel war es, die Gesellschaft zu ertüchtigen bzw. insbesondere das Selbstwertgefühl der Bürger wieder zu beleben. Nach der damaligen Sinngebung Steins, sollten die Aufgaben autonomer Selbstverwaltung in den preußischen Provinzen, Kreisen, Gemeinden und Städten zu einer „Anhebung des Gemeingeistes“ und zur bestmöglichen Nutzung aller im Staat aktivierbaren Fähigkeiten führen (Königreich Preußen: „Ordnung für sämmtliche Städte der Preußischen Monarchie mit dazu gehöriger Instruktion, Behuf der Geschäftsführung der Stadtverordneten bei ihren ordnungsgemäßigen Versammlungen“, Königsberg, 19.11.1808).

Mittels der Kommunalreformen entwickelte sich dann sukzessive eine gemeinschaftliche politische Selbstverwaltungsautonomie. Jedoch gewannen die liberalen Reformer erst im späten 19. Jahrhundert im Angesicht der Industrialisierung, der gesellschaftlichen Mobilisierung und der Herausbildung des ersten deutschen Nationalstaates einen stärker werdenden Einfluss auf die Modernisierung der Selbstverwaltung der Gemeinden. Die Rechtsreformen erlaubten es den Gemeinden, im erweiterten Maße über ihre Angelegenheiten selbst zu bestimmen. Und die damit gleichzeitig verbundenen Rechte gaben der Bevölkerung, aber vorerst nur für einen Teil der Einwohnerschaft, vermehrte Beteiligungsrechte gegenüber Politik und Verwaltung. Dies schloss Personen ohne Grundbesitz oder vergleichbarem unternehmerischen Vermögen, Frauen sowie Angehörige unterer sozialer Schichten, gemessen am niedrigen Berufsstatus und kaum vorhandenen Ersparnissen, seinerzeit noch aus. Die Steinschen Reformen eröffneten alsbald auf örtlicher Ebene zwar erweiterte Gestaltungsfreiräume. Jedoch gab es in den Provinzen Preußens diesbezüglich noch zahlreiche Unterschiede, die räumlich verschieden strikt wirkten und teilweise noch zur erheblichen Beschränkung von Kommunalrechten führten. Mit der Verwaltungsautonomie wuchs allerdings auch die Finanzverpflichtung der Gemeinden, ihre angestrebten örtlichen Lebensbedingungen mit eigenverantworteten Haushalten gestalten zu müssen. Und zudem war die Idee der Selbstverwaltung mit zunehmenden sozialen Verpflichtungen verbunden, wie etwa der Schaffung kommunal betriebener Versorgungsunternehmen oder auch die Bedingung, die Armenpflege in eigener Regie zu gestalten.

Historisch rückblickend betrachtet, war es seit den Zeiten der germanischen Siedlungsstämme üblich, dass in ihren Gemeinschaften die Dinge geregelt und beschlossen wurden, die das menschliche Leben der Siedler unmittelbar betrafen. Allerdings war dies geografisch betrachtet recht unterschiedlich geregelt und dann insbesondere im Feudalismus / Absolutismus oft einschränkt durch Kirchenmacht und durch gutherrschaftliche Rechte. Dadurch konnten örtliche Gemeinschaften als Folge von Gewohnheitsmacht oder herrschaftlich bedingten Entscheidungen hinsichtlich ihrer eigenen Gestaltungsziele willkürlich behindert werden. So wurden auch im Holsteinischen noch bis ins 13. Jahrhundert hinein ganze Dörfer von Obrigkeiten nach eigenem Nutzendenken ge- oder verkauft und oftmals mit engen Auflagen für örtliche Gestaltungsmaßnahmen reglementiert. Dies waren in der Regel übermäßige Steigerungen von Abgaben und Dienstbarkeiten, die die Kraft der Siedlungen zur Eigengestaltung arg einschränkten.  Vereinzelt kam es auch zur langen Vernachlässigung von Siedlungsgebieten, weil sich die Kirchen bzw. der Adel gar nicht um sie kümmerte. Nachweisbar ist dies für die Verhaltensweisen in Herrschaftsregionen der Linien der Schauenburger Grafen (Stammsitz: Grafschaft Schauenburg in Kassel, die ihre Gebiete zum Teil aus ihren hunderte von Kilometern entfernten anderen Besitzungen aus regierten.

Nach der Eingliederung der Herzogtümer Schleswig und Holstein in den Staat Preußen ab 1867 galt für die Selbstverwaltung von Gemeinden die „Verordnung betreffend die Landgemeinde-Verfassungen der Herzogthümer Schleswig und Holstein vom 22.9.1867, erlassen durch Wilhelm II, König von Preußen“. Das Recht, gemeindliche politische Angelegenheiten mitentscheiden zu können, war mit dem Erlass von 1867 generell an den Nachweis des Besitzes von privatem Grundeigentum gebunden. Die örtlichen politischen Entscheidungen wurden in den Gemeindeversammlungen vollzogen, zu denen immer alle Bewohner eingeladen waren, die kommunales Stimmrecht besaßen. Nach der Gemeindeordnung Haslohs wurden vier feste Versammlungstermine pro Jahr einberufen. Teilweise gab es, wenn Terminverzug oder Streitfragen anstanden, Sonderversammlungen. Die Wahlperiode betrug sechs Jahre. Die Tagesordnungen verzeichneten in der Regel überwiegend Routineentscheidungen, die das Funktionieren des Dorfes in seinem gängigen Alltagsgeschehen betrafen. So ging es immer wieder um Aspekte des Wegebaus, von Moorentwässerungen, Grundstücksangelegenheiten, Steuern, von Angelegenheiten des kommunalen Jahreshaushalts, um Maßnahmen des Schulwesens und um anstehende Wahlen des Dorfvorstehers, seiner Vertreter und assistierenden Beisitzer. Volles Stimmrecht bei Beschlüssen der Gemeindeversammlung hatten solche Personen, die männlich und 24 Jahre alt waren, in Hasloh ihren festen Wohnsitz hatten und über landwirtschaftlichen Grundbesitz mit einer Bespannung von zwei Pferden verfügten. Ebenfalls volles Stimmrecht hatten Nicht-Landwirte, wenn sie eine Fabrik oder gewerbliche Anlagen besaßen oder als juristische Personen in Zuständigkeiten für große Landflächen standen. Das Eigentum der Nicht-Landwirte musste, um volles Stimmrecht erlangen zu können, dem Wert eines bespannungsfähigen Grundstücks eines Bauern gleichwertig sein. Solche Nicht-Landwirte hatten auch dann Stimmrecht, wenn sie außerhalb des Dorfes ihren Wohnsitz hatten (Forense-Wahlrecht).  Für Hasloh, welches lediglich einige handwerkliche Kleinstbetriebe aufwies, fielen die über die Bauernrechte hinausgehenden Stimmrechte seinerzeit faktisch nicht ins Gewicht. Zumal es keine Sperrrechte für die Gruppe der Nicht-Landwirte gab und in der Gemeindeversammlung mit einfacher Majorität abgestimmt wurde, was selbstgängig zu von den Bauern einseitig entschiedenen Beschlüssen führte. Dies kam praktisch einer dauerhaften Vormachtstellung der großen privaten landwirtschaftlichen Grundeigner gleich, die unter den überhaupt stimmberechtigten Dorfbewohnern wegen ihrer gesetzlich gewollten sozialen wie politischen Privilegierung in der Gemeindeversammlung die Versammlungsverläufe dominierten. Denn die unteren sozialen Schichten sowie die Frauen im Dorf verfügten über kein Stimmrecht.  Anteilig eingeschränkt war die Mitbestimmungsfähigkeit der Gruppe der kleineren Grundbesitzer mit nicht bespannungsfähigem, weil zu kleinflächigem Grundeigentum. Ihre Stimmen konnten gesammelt werden, wurden addiert und fanden so in den Gemeindeversammlungen kollektiv ihr Gewicht. Dafür mussten die Kleinbauern aus ihrer Gruppe 3 Personen auf 3 oder 6 Jahre wählen, die als Vertreter die Gruppeninteressen in die Beschlüsse der Gemeindeversammlung einbrachten. Gleiches galt für die Vertreter der Gruppe der unverheirateten Besitzerinnen, der im Ort handwerklich tätigen kleinen Grundeigner sowie der auswärts wohnenden juristischen Personen mit Verfügungsrechten über kleines Hasloher Grundeigentum. Grundbesitzern solcher Flächen, bei denen die ihnen zuzuordnenden Flächen die der vergleichbaren „übrigen“ Ländereien im Dorf nach Wert und Größe überstiegen, konnte für Abstimmungen zusätzliche Stimmen zugeteilt werden. Dieses musste dann faktisch zu einem Klassenwahlrecht führen, dessen Genehmigung streng gehandhabt wurde und im Entscheidungsgang bis zum preußischen Minister des Inneren vorzutragen war. Zu einem Klassenwahlrecht solcher Art ist es in Hasloh allerdings nie gekommen. Bei den Gemeindeversammlungen mussten 50 Prozent aller Stimmberechtigen anwesend sein. Entschieden wurde mit einfacher Majorität. Bei Stimmengleichheit entschied die Stimme des Gemeindevorstehers zur Sicherstellung der Abstimmungsmehrheit. Wenn es durch Abwesenheiten zur Beschlussunfähigkeit kam, vertagte sich die Gemeindeversammlung. Bei Wiederholungstreffen reichte für gültige Beschlüsse die einfache Mehrheit der Anwesenden. Eine im Archiv der Geschichtswerkstatt Hasloh aufgefundene Statistik zeigt für die Jahre von 1888 bis zum Inkrafttreten der neuen 1892 erlassenen Landgemeindeordnung, dass die Gemeindeversammlungen in den protokolliert nachgewiesenen vier Jahren sogar viele Male nicht beschlussfähig waren. Teilweise betrug die Zahl der Anwesenden gar nur unter fünf Personen von 70 Stimmberechtigten. Die ehemals mit den Reformen des Freiherrn von und zum Stein von 1808 angedachten und vorstehend bereits erwähnten Hoffnungen auf „Anhebung des Gemeingeistes“ in der freiheitlicheren Selbstverwaltung und -gestaltung von Siedlungsgebieten, weiterentwickelt bis zur Landrechtsreform von 1867, sind offenkundig nicht sonderlich motivationsfördernd in Hasloh angekommen. Vermutlich hatten sich viele der Stimmberechtigten in den Gemeindeversammlungen unseres Ortes noch lange in der althergebrachten dörflichen Lebenswelt mit ihren tradierten politischen Macht- und Gestaltungsverhältnissen politisch sicher und sozial als herausgehoben anerkannt gefühlt.

Diese Lage sollte sich mit dem geplanten Erlass einer neuen Gemeindeordnung im Jahr 1892 ändern. Und die in der Gemeindeversammlung etablierten Stimmberechtigten begehrten bereits im Vorfeld der Reform unmissverständlich auf. Dies äußerte sich darin, dass die abzusehenden Neuerungen im Vorfeld des Erlasses noch langatmigen, weil kontrovers ausge-tragenen Verweigerungshaltungen unterworfen wurden. Zentral ging es dabei um die Frage eines neuen Wahlrechts, das als wesentliches Element der Reform installiert werden sollte. Also darum, welche Dorfbewohner ab 1892 mit welchem Stimmrecht und vor allem mit welchem Stimmgewicht an der Verwirklichung politischer Beschlüsse würden teilnehmen können.

Die Aufforderung, sich auf die neue Landgemeindeordnung einzustellen und nach ihrer Rechtsgültigkeit dann auch umzusetzen, propagierte u. a.  bereits 1890 der für das Pinneberger Verwaltungsgebiet zuständige Landrat. Er hielt vor 47 Einwohnern Haslohs einen Informationsvortrag und forderte mit Rechtsbelehrungen dazu auf, die neue Gesetzgebung nach ihrem Erlass uneingeschränkt zu akzeptieren. Denn sie entspräche dem zeitgemäßen politischen und sozialen Wandel sowie dem fortschrittlichen Effizienzdenken in erfolgreichen, zur Modernisierung herausgeforderten und im vergleichenden internationalen Wettbewerb stehenden Staaten. Der Vorschlag stieß bei den Zuhörern auf Widerspruch. Zentraler Protestpunkt war erwartungsgemäß, dass die zukünftige Auswahl von vorrangig bestimmenden Mitgliedern der nächsten Gemeindeversammlung nicht mehr nach dem Status als private Grundbesitzer erfolgen sollte. Maßstab (Wahlzensus) für die kommunale politische Machtverteilung sollte künftig der Stimmenerwerb gemessen an direkten Steuerabgaben, abgestuft nach drei Wahlklassen, sein.  Damit legten die staatlichen Reformbeauftragten ein leistungsbezogenes, am ökonomischen Effizienzdenken ausgerichtetes Kriterium dem Prozess der politischen Teilhabemöglichkeiten einzelner Personen an den Entscheidungen zur Gestaltung ihrer Kommune zugrunde. Und dies wirkte sich zugleich auf die hierarchische soziale Anerkennung von Individuen in der Dorfgemeinschaft und ihre persönliche Gestaltungsmacht bezüglich der weiteren Entwicklung Haslohs aus. Kurzum: Also der Grundbesitz als solcher sollte nicht weiter allein an die Auswahl politischer Führungspersönlichkeiten im Ort gekoppelt werden. Es war außerdem der Nachweis zu erbringen, dass privater Grundbesitz wirtschaftlich effektiv und effizient, also gewinnbringend genutzt würde. Denn von der Steigerung von Wirtschaftserträgen hing die Fähigkeit ab, über Steuerabgaben zum Leistungsvolumen der Staatsfinanzen beizutragen.

Diese Überlegungen waren im Kontext der großen preußischen Steuerreform unter dem Staats- und Finanzminister sowie Reformer Johannes von Miquel zustande gekommen. Bis zu seiner Amtszeit wurden die Steuern in Preußen zentral erhoben. Dieses System änderte er durch Dezentralisierung in Richtung hin bis zur unteren staatlichen Verwaltungsebene, den Kommunen. Er übertrug den Gemeinden das Recht, sonst nur zentral erhobene Steuern nunmehr eigenständig zu erheben. Dies waren die Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuern. Zusammengefasst: Hierdurch fand der Effizienzgedanke der Ökonomie über das reformierte Steuersystem Eingang in die Verwaltungszuständigkeit der Gemeinden. Und der Effizienzgedanke war zudem vom preußischen Finanzminister noch ausdrücklich umwälzend im neuen Steuergesetz verankert worden. Denn „direkte“ Steuern wurden nicht mehr für alle sozialen Einkommensgruppen gleich mit einheitlichem Satz, sondern progressiv erhoben. Wer mehr Gewinn erwirtschaftete musste also mehr Steuerlasten tragen. Damit war das Leistungsprinzip für Preußen klar definiert. Dies hieß in der Wahrnehmung der Betroffenen: Wer für den Staat zahlt, darf auch mitbestimmen!  Und durch die Höhe unterschiedlicher Steuerzahlungen sollte durch zusätzliche Stimmenzuweisungen an hochbesteuerte Einkommen das Stimmgewicht dieser nach Klassen zu ordnenden Gruppen gegenüber ihnen nachgeordneten Gruppen zusätzlich erhöht werden.  So gesehen war die Steuerreform zugleich Grundlage für die Einführung des preußischen Dreiklassenwahlrechts. In dörflichen Gemeinden mit noch erheblich ausgeprägtem landwirtschaftlichem Grundbesitz hatte die Reform ihre besonders wahrnehmbaren Folgen in den damit einhergehenden gesellschaftlichen Veränderungen, indem nicht mehr nur der Grundbesitz die Sozialhierarchie in einem Ort bestimmte, sondern gleichfalls die Fähigkeiten, daraus auch etwas Gewinnbringendes zu machen. Um diese Umwälzung tradierter sozialer Statusgewohnheiten zu ändern, musste die politische Gemeinde ein klares Interesse daran haben, die Motivation zur Übernahme höherer Steuerlasten einzelner Bürger als deren individuellen wirtschaftlichen Erfolg hervorzuheben. Und dies wurde dann u.a. mit der Machtzuweisung personell veränderter politischer Mitbestimmungsrechte auch auf der Ebene der Gemeinde sichtbar herausgestellt.

1891 führte eine vom Landrat eingesetzte gemeinsame Einschätzungskommission für die Orte Hasloh, Garstedt, Bönningstedt und Winzeldorf erstmals Bewertungen bzw. Einschätzungen der Steuerabgaben der Einwohner eines gemeinsamen Wahlortes, bei uns von ganz Hasloh, durch. Dadurch erfolgte die faktische Weichenstellung zur Einführung der neuen Wahlordnung für das Dreiklassenwahlrecht ein Jahr vor Inkraftsetzung der Landesgemeindeverordnung von 1892. Die vier Orte bildeten seinerzeit ein politisch verbindendes Amt mit einem gemeinsam gewählten Amtsvorsteher. Auf der Grundlage der jährlich von einzelnen Personen gezahlten Steuern kam es zur hierarchischen Einstufung politisch Wahlberechtigter gemäß der kommenden Wahlordnung in drei unterschiedliche Besitz- / Vermögensklassen.  Auch der Amtsvorsteher der vier Gemeinden forderte nach der Arbeit der Kommission, die Wahl einer Gemeindevertretung zeitnah vorzubereiten. Wieder kam es, diesmal also gar auf Amtsebene, zum Widerstand gegen die Reform. Die Ablehnung der Reform vollzog sich mittels Einstimmigkeit der weiterhin traditionell gesinnten Repräsentanten ihrer Gemeinden. Der Widerstand zerbrach jedoch noch Monate vor dem Reformerlass, wobei die Gründe dafür sich aus dem Archivbestand unserer Geschichtswerkstatt bzw. öffentlicher Archive nicht erschließen lassen.

Die Kommunalreform wurde in Hasloh schließlich den Gesetzen gemäß vollzogen: (Endfassung: „Landgemeindeordnung für die Provinz Schleswig-Holstein vom 7. Juli 1892, erlassen von Wilhelm II, König von Preußen“). Es kam zur Einführung des 3-Klassenwahlrechts in Hasloh mit seinen Folgewirkungen für die Besetzung der bisher noch „Gemeindeversammlung“ genannten Treffen aller stimmberechtigten Wähler. Die Versammlung hieß gemäß der Reformsprache des neuen Landrechts nunmehr „Gemeindevertretung“. Und deren Konstituierung ging mit neuen Rechten und Regeln für das Handeln zukünftiger Gemeindeverordneter einher: Das Wahlrecht verlangte eine neuartige Besetzung und Mitwirkung in der Gemeindevertretung. Personell wurde das Gremium der „Gemeindeverordneten“ durch die an eine begrenzte Anzahl von Personen auf jeweils sechs Jahre verliehene politische Amtsperiode eingegrenzt. Die insgesamt stimmberechtigten Bürger des Wahlortes waren, wie bis dahin mit der Verordnung von 1867 garantiert, nicht weiter berechtigt, grundsätzlich persön-lich, also unmittelbar aktiv an den Beschlüssen ihrer Gemeindevertretung teilzunehmen, sondern lediglich nur als Zuhörer mit begrenztem Fragerecht vor Beginn der Versammlungen der Gemeindevertretung. Und die Gemeindeverordneten konnten die Fragen entweder lediglich zur Kenntnis nehmen oder das Vorgetragene auch zum Gegenstand von anzustrebenden Beschlüssen machen. Die Verordneten der Gemeindevertretung waren nach der neuen Wahlordnung nunmehr „Repräsentanten“ einer Klasse von Wählern, deren Differenzierung nach Einzelklassen vom leistungsbezogenen Steuersystem abgeleitet wurde. Die Berechtigung zur Teilnahme an Wahlen galt für alle Männer aller sozialen Schichten bzw. die Beauftragten juristischer Personen mit Mindestalter von 24 Jahren. Ausnahme vom nunmehr allgemeinen Wahlrecht blieb weiterhin das Wahlverbot für Frauen, das erst nach Ende des Ersten Weltkrieges gesetzlich verankert wurde.

Die Reform der Wahlordnung war aus Sicht vieler Kritiker lediglich eine „stark reduzierte“ Reform. Denn mit der Verankerung  eines 3-Klassen-Wahlrechts, bei dem die Klassen für die Besetzung öffentlicher politischer Ämter zu je einem Drittel auf zahlenmäßig die gleiche Personenzahl eingegrenzt wurde, ergaben sich aus der Sicht der Wahlrechtsreformgegner auch weiterhin Ungleichheiten bezüglich der Spiegelung der sozial unterschiedlich differenzierten Bevölkerungsgruppen.
Die Kritik galt in erster Linie zwei Punkten. Erstens: Die Gruppe der höchsten Steuerzahler (1. Klasse) verfügte somit, obwohl in der Bevölkerung zahlenmäßig die kleinste soziale Schicht, gemessen an ihren entsandten Politikern im Kommunalparlament, eine der „3. Klasse“ gleichgroße Zahl an Gemeindeverordneten. Die 3. Klasse wurde jedoch aus der (wohl zumeist) immer anzahlmäßig größten Gruppe der nur gering steuerpflichtigen Wähler rekrutiert. Denn zu jener gehörten zum Beispiel die Gärtner, Kätner, einfachen Handwerker und Tagelöhner. Gewisse Relativierungen der Gestaltungsmacht in der Gemeindeversammlung ergaben sich jedoch dadurch, dass der Dorfvorsteher von den Mitgliedern aller drei Klassen-Gruppen in der Gemeindevertretung geheim gewählt werden konnte. Dadurch war es möglich, dass ein Vertreter aus einer der der 1. Klasse nachgeordneten 2. oder gar 3. Klasse Gemeindevorsteher werden konnte.  Zweitens galt die Hauptkritik der Art der Umlegung der politischen Machtverteilung in der Gemeindevertretung mittels Drittelung des gesamten Steueraufkommens auf jeweils eine Wählerklasse. Kurzum: Die gesamten Stimmberechtigten einer Landgemeinde wurden nach Maßgabe der von ihnen zu entrichtenden direkten Steuern drei Klassen zugewiesen. Und zwar in der Art, dass auf jede Klasse ein gleichhoher Anteil der Gesamtsumme der Steuern entfiel. Und weiter sah die neue Ordnung vor, dass kein Stimmberechtigter zwei Klassen zugleich angehören können sollte. Denn in die erste und zweite Klasse gehörte laut Wahlge-setz auch derjenige, dessen Steuerbetrag nur teilweise in das erste oder zweite Drittel fällt. Für die einzelne Fallentscheidung sahen die neuen Abstimmungsvorgaben vor, dass im Falle von mehreren einen gleichwertigen Steuerbetrag entrichtenden Wähler das höhere Lebensalter und erforderlichenfalls das Los darüber entscheiden sollte, wer von ihnen der höheren Klasse zuzurechnen sei. Dritter, und der wohl schmerzlichste Punkt für die Wahlrechtskritiker, waren die Wirkungen des Klassen-Wahlrechts auf das Mitbestimmungsgewicht der Gemeindeverordneten bezüglich ihrer faktischen Mitbestimmungsmacht. Kritisch betrachtet war das neue Wahlrecht grundsätzlich ein ungleiches Wahlrecht, weil die Art der Bündelung von Stimmen zu einen deutlich unterschiedlichen Erfolgswert führen musste.

Ein Blick auf die Praxis der Wirkungen der Wahlordnung unter dem Gesichtspunkt der mit der Reform einhergehen partizipatorischen Gleichsetzung der Wähler zeigt die Vorwürfe der Kritiker anschaulich auf: Die Wahlberechtigten mit den höchsten Steuerabgaben wurden der 1. Klasse zugeteilt, bis 1/3 der Steuereinnahmen eines Ortes erreicht waren. In die 2. Klasse wurden die verbleibenden Wähler eingeteilt, die weniger als die Wähler der 1. Klasse zahlten; bis auch für die 2. Klasse rechnerisch 1/3 des gesamten örtlichen Steuereinkommens erreicht war. Die dann noch verbleibenden Wähler bildeten die Bürger der 3. Wahl-Klasse, die nur geringe Steuern zahlten. Wer als Bürger nicht mindestens 3 Mark auf 900 Mark Jah-reseinkommen aufbringen konnte, war nicht wahlberechtigt. Dies waren u. a. die in Armenhäusern leben Einwohner einer Gemeinde. Die 3. Sozialgruppe war in allgemeiner Hinsicht beispielsweise dann ihrer Zahl nach besonders groß, wenn in einer Gemeinde eine geringe Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe bzw. auch von einzelnen Gewerben bestand. Dann waren vor allem die Bauern bedeutende Arbeitgeber, die auf ihren Gehöften viele Arbeitskräfte beschäftigten. Und wenn diese vornehmlich Hausbedienstete, Landarbeiter und Aushilfskräfte mit geringer Entlohnung (unter 900 Mark pro Jahr) beschäftigten, zahlten die dort Tätigen keine Steuern.

Mit der Reform der Wahlordnung im der Landrechtsverfassung 1892 ging es nicht nur darum, Wahlen mit Bindung an das jährlich erwirtschaftete Einkommen (zudem über den Weg der Steuerprogression) zu einem Maßstab des individuellen Leistungsvermögens zu machen und dies mit unterschiedlicher Stimmmacht zu belohnen. Gleichfalls ging es darum, dem zügigen Erstarken oppositioneller politischer Kräfte in Preußen wirkungsvoll entgegenwirken zu können. Dieses war mit den Sozialistengesetzen Bismarcks nicht erfolgreich gelungen. Deshalb bedurfte es dringend eines markanten politischen Befriedungsangebots. Und dies wurde in dem Mittel gesehen, das seinerzeit noch bezüglich seines im sozialen und persönlichen Zugang eingeengten Wahlrechts in Richtung eines „allgemeinen“ Wahlrechts zu entgrenzen. Dies alles war zudem angetrieben durch die großen Veränderungsschübe der Gesamtentwicklung der damaligen Modernisierungsepoche; sprich insbesondere durch die Industrialisierung, Technologisierung, die Ausweitung der Handels- und Dienstleistungssektoren, Herausbildung eines politischen Parteiensystems, Reformen des Bildungswesens und die gestiegenen sozialen Differenzierungen als wesentliche Katalysatoren auf dem Weg in den allgegenwärtig wahrnehmbaren Fortschritt. Das politische Befriedungsangebot des preußischen Staates setzte an der bereits seit den Revolutionsjahren von 1848 von oppositionellen Kräften geforderten reformierten politischen Machtverteilung an, die über Wahlen und Parlament eine breite gesellschaftliche Teilhabe an allen Angelegenheiten der Gestaltung der Lebenswirklichkeit des Staatsvolkes garantieren sollte. Für die Wahlen auf Gemeindeebene verlangte dies, die Bindung der Wahlberechtigung an Grundeigentum als Voraussetzung für die Teilnahme an Wahlen auszudehnen, eben „allgemein“ zu machen. Dies korrespondierte in besonderer Weise parallel mit den ökonomischen Effizienz- bzw. Leistungsidealen der an progressiven Steuerabgaben ausgerichteten Wahlordnung der neuen preußischen Landes-Gemeindeordnung. Denn darin konnten sich insbesondere auch die in der kapitalistischen Ökonomie aufgestiegenen Personenkreise der unteren Einkommensschichten erkennen. Denn die Angehörigen dieser Gruppen, insbesondere Handwerker, Industriearbeiter, kleine Gewerbetreibende, Kontorkräfte, sonstige Dienstleister etc., hatten sich unter dem Schirm der sich erfolgreich entwickelnden Ökonomie der Gründerzeit einen sozialen Aufstieg erarbeitet, der sich in ihren politischen Beteiligungsrechten noch nicht gleichwertig zu ihren Leistungsbeiträgen zur gesellschaftlichen Wohlfahrtssteigerung und den zudem an den Staat geleisteten Progressivsteuern widerspiegelte. Diese Wahrnehmungen dürften auch für die Hasloher Lebenswelt gesinnungsprägend geworden sein.  Vor allem in Hasloh lebende Arbeitspendler, seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch den immer besser und schneller organisierten Bahnverkehr in Richtung Altona begünstigt, hatten außerhalb ihres Dorfes einen Aufstieg in anerkannte (neue) Berufe mit anwachsenden Gehaltserfolgen errungen und waren zudem steuerpflichtig. Diesen Sozialaufstieg wollten sie nunmehr auch bezüglich ihrer politisch-sozialen persönlichen Wertigkeit im Dorf fest im Sinne des seinerzeit zunehmend ausgeprägteren politischen Selbstbewusstseins verankert sehen.

Im Jahr 1893 erfolgte dann erstmals die Wahl von Gemeindeverordneten (Repräsentanten der Gesamtwählerschaft Haslohs) nach dem neuen 3-Klassen-Wahlrecht. Für die drei Klassen wurden jeweils drei Gemeindeverordnete je Klasse gewählt. Die Landgemeindeordnung verlangte, je nach der Gesamtzahl der Wahlberechtigten einer Kommune, eine mindestens 9-köpfige Gemeindevertretung. Neun Verordnete waren also die Mindestgröße für kleine Gemeinden. Diese Anzahl konnte in größeren Gemeinden bis auf 24 Personen ausgeweitet werden, wobei dann in der Dreiteilung auf die nach Steuerstatus differenzierten Hierarchie-Klassen jeweils 8 Personen entfielen. Die Verordneten wählten in geheimer Abstimmung den Gemeindevorsteher. Gewählt wurde Hermann Breckwoldt (aus der 2. Klasse) für eine Amtsperiode, die nach der Wahlordnung sechs Jahre betrug. Neuer Armenvorsteher wurde H. J. Gätjens.

Trotz der innovativen Regeln der neuen Wahlordnung (allumfassende soziale Teilnahmebreite der  - nur -   männlichen Wählerschaft, Repräsentationsprinzip für die Zusammenstellung der 9-köpfigen Gemeindevertretung, geheime Wahl des Gemeindevorstehers) blieb der damit verbundene politische Zuwachs an Mitbestimmungsgewicht hinsichtlich seiner dann auch faktisch gegebenen Mitbestimmungsmacht von vornherein ungleich, weil die Wahlordnung des 3-Klassenwahlrechts auf einem unterschiedlichen Erfolgswert aufbaute. Dies begünstigte wiederum tradiert sozial hervorgehobene Wähler. Deutlich wird dies, wenn man sich einzelne Regeln der Stimmrechtsausübung gemäß der Landgemeindeordnung 1892 (LGO92) im Detail anschaut. Dort heißt es in § 48, 1. Satz: „Der Regel nach steht jedem einzelnen Stimmberechtigten eine Stimme in der Gemeindeversammlung … zu.“ Dies war jedoch mit bindenden, das allgemeine Wahlrecht der Gesamtwählerschaft aushöhlenden, Maßgaben verbunden. Zentrale „bestimmende Maßgabe“ war der private Grundbesitz. So galt: „Mindestens zwei Drittel sämmtlicher Stimmen müssen auf die mit Grundbesitz angesessenen Mitglieder der Gemeindeversammlung … entfallen.“ (LGO92, § 48, 1). Angesessene Grundbesitzer waren (1.) die Bauern vor Ort und (2.) ebenfalls gewerblich Landflächen nutzende Angesessene oder (3.) als juristische Personen im Dorf gelegene Landflächen ver-waltende Stellvertreter von Nicht-Haslohern. Weitere Einengungen der Mitbestimmungsmacht resultierten aus verordneten Stimmenanhäufungen. Bezogen auf Bauernland war die jährlich zu zahlende Grund- und Gebäudesteuer die Messgröße. Für Gewerbetreibende galt die Zuordnung zu einer bestimmten Gewerbesteuerklasse als Maßstab. Im damaligen Amtsdeutsch lautete die angewandte Zuteilung von Anhäufungstimmen wie folgt: „Denjenigen Besitzern, welche von ihrem im Grundbezirke belegenen Grundeigenthume einen Jahresbetrag von 20 bis ausschließlich 50 Mark an Grund- und Gebäudesteuern entrichten, sind je zwei, denjenigen Besitzern , welche von diesem ihrem Grundeigenthume ein Jahresbetrag von 50 bis ausschließlich 100 Mark entrichten, je drei, und denjenigen Besitzern, welche 100 Mark oder mehr entrichten, je vier Stimmen beizulegen.“ (LGO92, § 48, 2) Und für gewerbliche Unternehmer galt: „Den Gewerbetreibenden der dritten Gewerbesteuerklasse sind 2 Stimmen, den Gewerbetreibenden der zweiten Gewerbesteuerklasse sind 3 Stimmen und den Gewerbetreibenden der ersten Gewerbesteuerklasse sind 4 Stimmen beizulegen.“  (LGO92, § 48, 2.) Für Wählergruppe der 3. Klasse gab es keine „Stimmenbeilegungen“.

Die Tagesordnungspunkte der Ersten Wahlperiode 1894-1900 bezogen sich, wie bereits in den Jahrzehnten zuvor bei den Beschlüssen der Gemeindeversammlung üblich, vorrangig weiter auf politische Routineentscheidungen alltäglicher Fragen und praktischer Problemlösungen. Eine gesetzlich verpflichtende neue Stelle wurde für die Zuarbeit zur Unterstützung der Gemeindevertretung in Haushaltsfragen geschaffen. Das Amt eines mit einer Aufwandsentschädigung entlohnten Rechnungsführers übernahm ein Lehrer der Hasloher Dorfschule.

Wie aus damaligen Zeitungsberichten zu entnehmen ist, ging es dann aber in der Gemeindevertretung „recht turbulent“ zu, als 1897 eine bedeutende Innovationsentscheidung anstand. Angefangen hatte der Entscheidungsprozess mit einem Antrag der Altona-Kaltenkirchener-Eisenbahn, die Geschwindigkeit auf der seinerzeit parallel zur Chaussee Altona-Kiel verlaufenden Streckenführung für Personen- und Gütertransporte von 20 auf 25 km/h zu erhöhen. Vorangegangen waren massive Widerstände von Dorfbewohnern, von an der Strecke anliegenden Gewerbetreibenden und von solchen Unternehmen, die ihre Fuhrgeschäfte neben der zur Kunststrasse hin verlaufenden Bahn schon seit Jahrzehnten in enger Nähe zu den Gleisen betreiben mussten. Das hatte zu zahlreichen schweren Unfällen durch Kollisionen von Lokomotiven und Pferde-Fuhrwerken sowie immer wieder auch zu langen, kostenaufwändigen Chausseesperrungen als Folge von Entgleisungen geführt. In der Gemeindevertretung wurde der AKN-Antrag abgelehnt. Alternativ wurde nach langen Debatten von Gemeindeverordneten schließlich beantragt, die Züge auf einem eigenen Bahnkörper mit anderer Streckenführung durch das Dorf zu verlegen. Außerdem trachteten einige Verordnete bereits seit langem danach, die Chaussee Altona-Kiel zu verbreitern, um neben dem bis dahin nur zweispurigen Straßenverlauf eine dritte Spur als Ausweich- bzw.  Überholspur bauen zu können. Es kam zum Beschluss, den Ausbau eines neuen Streckenverlaufs zu genehmigen. 1912 wurde die Strecke mitsamt neuem Bahnhof an der heutigen Ladestraße / Bahnhofstraße eingeweiht.

Die Vorteile der Innovationsentscheidung waren bereits bald erkennbar. Denn wegen der neuen Fahrgeschwindigkeiten wurde die verkürzte Erreichbarkeit Altonas offenkundig als spürbarer Zeitgewinn und vergnügliches Geschwindigkeitserlebnis, besonders bei Sonntagsausflügen, wahrgenommen. Es kam, wie die Statistiken im AKN-Archiv belegen, zum signifikanten Anwachsen des Personen- und Güterverkehrs.  Mit den Vorteilen der Innovationsentscheidungen für den Schienenverkehr waren zugleich erhebliche Herausforderungen für das Dorf verbunden, die weit über ihre sonst üblichen Entscheidungs-routinen hinausgingen.  Denn die Gemeindeverordneten mussten für den Streckenausbau finanzielle, mit langfristigen Krediten und von oberen Instanzen zu genehmigende Verpflichtungsermächtigungen eingehen und somit langfristig hohe gemeindlich zu verbürgende Beteiligungen verantworten. Der Zins und die Tilgungen gingen zu Lasten alternativ gewünsch-ter gemeindlicher Gestaltungshoffnungen der Bürger. Zudem kam es zu Enteignungen privater Bauernlandflächen und von Flächen, die im Eigentum der Gemeinde waren. Außerdem mussten die Bewohner unseres Dorfes gravierende Veränderungen des Ortsbildes durch die optisch einschneidenden Infrastrukturmaßnahmen mental verarbeiten.

In der Gegenwart ist das Recht der Selbstverwaltung der Gemeinden in Art. 28 des Grundgesetzes geregelt. In Absatz 2 heißt es: „Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfasst auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

Anmerkung: Auf die Veränderungen in der Selbstverwaltungsautonomie von Gemeinden in der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus wird alsbald in vertiefenden Studien der weiteren Arbeit unserer Geschichtswerkstatt eingegangen werden. Auch dabei liegt der Fokus auf Geschehnissen, die speziell für die Gestaltung Haslohs bedeutsam geworden sind und noch heute Erfahrungen zum Lernen aus der Geschichte anbieten könnten.

Die Voraussetzungen, die Selbstverwaltungsautonomie einer Gemeinde zur Gestaltung eines Ortes politisch nutzen zu können, werden durch den Charakter des Wahlgesetzes geprägt. In der Bundesrepublik Deutschland mit seiner parlamentarischen (Parteien-)Demokratie wird nach den in Artikel 38 Abs. 1 Grundgesetz (GG) festgelegten Wahlrechts-Grundsätzen gewählt. Demnach sind Wahlen „allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim“. Die auf diesen Grundsätzen aufbauenden Wahlsysteme für den Bund, die Länder, Kommunen und Gemeinden werden durch einfache Wahlgesetze (einfache Gesetze) konkretisiert.